Wir sind gerade mitten in der Vorentscheidungssaison für den Eurovision Song Contest 2024. Ständig werden neue Lieder und Künstler*innen vorgestellt und am Wochenende lassen viele Länder über ihren Beitrag für den ESC abstimmen, sei es durch Jurys oder Televoting. Wir alle haben in nahezu jeder Show, die wir gucken, eine Favoritin oder Favoriten mit einem in unseren Ohren großartigen Lied. Aber ganz bestimmt haben wir einen Favoriten im Vorentscheid des eigenen Landes.
Und dann schafft es genau dieser Beitrag nicht nach Malmö!
Skandal! Polizei! Hier wurde jemand beraubt! Man möchte verzweifeln. Warum sehen die Zuschauer*innen nicht, was für ein toller Beitrag das ist? Warum erkennt niemand, wie schön er im gesamten Line-up heraussteht? Hört denn niemand diese einzigartige Stimme, erkennt niemand den berührenden Text und das wohltuende Arrangement? Bin ich der oder die einzige, die das Potential des Beitrags erkennt?
Die letzte Frage können wir sofort beantworten: Nein, bist Du nicht. Denn wenn es ein Lied in einen Vorentscheid geschafft hat, dann hat es bereits einen langen Weg hinter sich. Es musste sich gegen eine Vielzahl von anderen Liedern beweisen, bevor es in den Vorentscheid kommen konnte. Nehmen wir zum Beispiel Deutschland. Hier haben sich 693 Künstler*innen, Bands und Duos beworben. Davon haben es neun in die Show geschafft. Oder schauen wir nach Schweden zum Melodifestivalen. Dort gab es 2.624 Einreichungen, von denen es 30 in die Shows geschafft haben. Auf das ganze ESC Land geblickt, gibt es jedes Jahr tausende und abertausende Einreichungen bei allen Sendern, die beim ESC mitmachen.
Aus vielen wird einer
Es schaffen nur sehr wenige Songs den Sprung in die nationalen Vorentscheidungen. Es ist kaum auszudenken, wie viele Liedern wir im ESC Kontext nie zu hören bekommen. Alleine das finde ich schon schade, und dann werden aus einigen hundert 37, werden 26 und am Ende steht nur noch eine oder einer auf der Bühne und nimmt die Trophäe mit.
Aber hey, dein Favorit hat es aus all diesen Einreichungen in den nationalen Vorentscheid geschafft. Was für eine tolle Leistung. Sonst wäre es ja auch nicht dein liebster Beitrag im Vorentscheid. Das erste Mal, als Du das Lied gehört hast, berührte es dich, es weckte dich auf, es wühlte dich auf oder es brachte dich zum Tanzen. Natürlich wanderte es sofort in die Playlist. Du hast sofort das Video geteilt, deiner besten Freundin oder deinem besten Freund vorgespielt. Die Künstler*innen, die an diesem Beitrag beteiligt sind, hast du natürlich auch gleich bei Instagram geaddet und erst mal ordentlich durchgeliked. Wir Fans kennen das alle, wenn wir erst mal einen Crush haben, dann haben wir einen Crush! Dieser Beitrag ist perfekt für den ESC, das werden sicherlich alle erkennen.
Aber jetzt ist die Reise zu Ende. Platz zwei ist schon eine Schmach, Platz drei furchtbar, niemand mochte den Song. Dieser geniale Beitrag wird nicht in Malmö auf der großen ESC Bühne stattfinden. Alles ist vorbei!
Die Reise ist nicht zu ende
Aber guck doch mal genau hin. Ja, da auf deinem Handy, in deiner Musikapp. Da ist er ja noch, nur einem Fingertipper entfernt, dir wieder Freude zu bereiten. Denk an die vielen Menschen, die das gleiche Potential in dem Lied gesehen haben, es zum Vorentscheid gehievt haben und für den Song während der Show angerufen haben. Denk an all die tollen Menschen, die du im Laufe der letzten Wochen kennengelernt hast, die genau den gleichen Song großartig finden.
Dein Favorit geht nirgendwo hin und das ist gut so. Er verschwindet jetzt nicht einfach aus den Playlisten, das Video wird auf Youtube nicht einfach gelöscht und die Künstler*innen werden auch nicht aufhören, neue, vielleicht noch bessere Songs zu machen. Aber das Wichtigste ist, dein Favorit aus dem Vorentscheid wird immer DEIN liebster Beitrag sein. Egal wie die Show ausgegangen ist. Das ist das Wertvollste und das kann dir niemand nehmen.
Hier ein paar Songs, die ich dieses Jahr auf der großen Bühne vermissen werde
https://www.escpanelen.se/2023/09/sa-manga-bidrag-skickades-in-till-melodifestivalen-2024
Schöner Artikel. Es wertet auch Keinen ab, nicht zu gewinnen und irgendwer muss auch Letzter werden. Trotzdem darf man schon schwer enttäuscht sein, denn die klinisch tote Studiofassung in der Playlist ist nur ein schwacher Ersatz für einen emotionalen ESC Auftritt, live gesungen auf großer Bühne. Besonders in Ländern, wo die Produktionsqualität des Vorentscheids eher bescheiden ist oder in Ländern, wo Videos des Vorentscheides schnell aus dem Internet verschwinden…